Mit Bewegung gegen den Pandemiekoller

Warum sollte man auch während der Coronapandemie Sport betreiben und welche Möglichkeiten gibt es?

Der Beantwortung dieser Fragen widmeten sich einige Expertinnen des Olympiazentrum Vorarlberg, genauer gesagt Sportwissenschafterin Antje Peuckert, Sportmediziner Marc Sohm, Mentaltrainer Simon Nußbaumer und Geschäftsführer Sebastian Manhart.

Kann Sport in der Coronakrise helfen? Wenn ja, wie?

Wie internationale Untersuchungen zeigen, hat die körperliche Aktivität bei Menschen während der Coronapandemie um bis zu 30 % abgenommen. Die sitzenden Tätigkeiten haben jedoch um bis zu 28 % zugenommen. Ein körperlich aktiver Lebensstil kann die Gesundheit und Lebensqualität verbessern und das Risiko für zahlreiche Zivilisationskrankheiten wie Bluthochdruck, Übergewicht, depressive Erkrankungen und sogar Krebs, die durch die Pandemie und den Bewegungsmangel verstärkt werden, senken.

Empfohlen wird moderate körperliche Aktivität an mindestens fünf Tagen pro Woche für mindestens 30 Minuten (wöchentlich 150 Minuten). Jede Form der Belastung ab zehn Minuten zählt. Zudem ermöglicht wöchentliches Kraft- und Koordinationstraining Beschwerden des Bewegungsapparats vorzubeugen bzw. diese zu kontrollieren. Außerdem haben körperliche Aktivität und Sport einen belebenden Einfluss auf unser Immunsystem.

Welcher Sport eignet sich und wie finde ich ihn?

Grundsätzlich eignen sich alle Bewegungsformen, die man mit Freude macht. Abhängig vom Trainingszustand sollte man mit einfachen Einheiten beginnen, die nicht viel Equipment und Aufwand benötigen. Habe ich Freude mich in der Natur zu bewegen, ist vielleicht eine kurze Wanderung oder Schneeschuhwanderungen durch die frisch verschneite Landschaft das Richtige. Auch eine Rodelpartie bringt viel Spaß und Bewegung an der frischen Luft, kurbelt den Stoffwechsel an und setzt Glückshormone frei.

Inzwischen sind auch viele Videos für Home-Workouts auf verschiedenen Social-Media-Kanälen verfügbar. Wie wäre es also mit einem kleinen Krafttraining zu Hause? Wer sich nicht sicher ist, was das Richtige für ihn ist, sollte am besten unterschiedliche Dinge ausprobieren.

Ist Spazierengehen auch Sport?

Für Sportmuffel oder Personen, die schon länger nicht mehr vom Sofa hochgekommen sind und jeden Weg mit dem Auto zurücklegen, kann auch ein ausgedehnter Spaziergang gut tun, um das System wieder in Schwung zu bringen.

Je besser das Ausdauerniveau ist, umso gezielter müssen die Intensitäten in den Trainingseinheiten sein. Läuferinnen, die wöchentlich zwei bis drei Läufe absolvieren, werden einen Spaziergang nicht als Trainingsreiz verzeichnen können.

Trotz allem hat ein Spaziergang viele positive Auswirkungen auf den Körper: Die Durchblutung wird leicht angeregt und es werden Hormone ausgeschüttet, die den Stoffwechsel anregen und sich positiv auf die Stimmung auswirken können.

Wie baue ich Sport am besten in meinen Alltag ein? Gibt es Hilfestellung für die Planung?

Grundsätzlich ist zu beachten: Der Einbau von regelmäßigen Sport- oder Bewegungseinheiten in den Alltag sollte keinen zusätzlichen negativen Stress verursachen. Ganz im Gegenteil - er sollte dem Stressabbau dienen. Am besten eignet sich, die Bewegungseinheiten bereits fix in den Wochenkalender einzutragen, damit diese Zeiten auch dafür reserviert sind. Ansonsten kommt man schnell in Versuchung, sie ausfallen zulassen.

Wie bereits erwähnt gelten Spaß und Begeisterung als größter Motivationsfaktor. Förderlich ist auch, wenn man die Sportart gemeinsam mit Freundinnen ausüben kann, denn auch der soziale Aspekt kann wesentlich zur Motivation beitragen. Erzähle auch anderen von deinen Zielen und Plänen - das schafft mehr Verbindlichkeit.

Darüber hinaus sollte man sich ein Ziel setzen und daraus kleine Teilziele formulieren sowie konkrete Handlungspläne, wie man diese erreichen möchte. Diese zu verschriftlichen ist von hoher Wichtigkeit.

Überfordere dich nicht zu Beginn - das kann sehr schnell zu körperlichen Beschwerden bzw. Motivationsverlust führen - fange klein an.

Zu guter Letzt: Feiere deine Erfolge und belohne dich dafür, wenn du dein Ziel erreicht hast.

Wie viel Sport ist sinnvoll? Wie dosiere ich ihn?

Abhängig vom Ausgangsniveau ist diese Frage nicht allgemein zu beantworten. Für absolute Einsteigerinnen ist zu Beginn ratsam mit ca. zwei Stunden moderater Belastung pro Woche zu starten. Dabei ist es am sinnvollsten mehrere Bewegungsblöcke von 15 - 20 Minuten in der Woche einzubauen.

Dies lässt sich oft im Alltag besser einbauen und erhält längerfristig die Motivation. Dabei ist eine Kombination aus Bewegungsformen, die sowohl die Herzfrequenz ansteigen als auch unsere Muskulatur gezielt aktivieren lassen das beste Mittel der Wahl.

Sporteinsteigerinnen haben oft die Schwierigkeit, das richtige Maß für die Belastung zu finden – hier wäre eine Beratung von Expertinnen sinnvoll.

Warum fühle ich mich nach Sport besser?

Sport und Bewegung führt dazu, dass unser Körper Hormone ausschüttet. Das Stresshormon "Cortisol" spielt dabei eine wichtige Rolle. Denn im Grunde sind die Reaktionen des Köpers auf Stress und Sport ganz ähnlich, um es dem Körper zu ermöglichen, Energie freizusetzen. Je nach Dauer und Intensität der Belastung, werden insbesondere Fette und Kohlenhydrate verbrannt, um die Energiebereitstellung für die Belastung sicherzustellen.

Neben den Stresshormonen werden auch sogenannte Glückshormone ausgeschüttet. Endorphine, aber auch die Hormone Dopamin und Serotonin setzen das Schmerzempfinden herab und lösen Glücksgefühle aus.

Bewegung und Sport führen zudem zu einer insgesamt besseren Durchblutung und versorgen unseren Körper mit zusätzlichem Sauerstoff, nicht nur in der Muskulatur, sondern auch im Gehirn. So kommen uns oft beim Laufen oder Radfahren die besten Ideen ganz nebenbei.

Ist Sport für alle? Es gibt ja Leute, die darauf beharren, total unsportlich zu sein...

Tatsächlich ist unbestritten, dass Bewegungsmangel ursächlich mitverantwortlich für kardiovaskuläre Risikofaktoren (Diabetes Typ2, Übergewicht, Bluthochdruck, erhöhtes Cholesterin) ist, in deren Konsequenz es zu Herzerkrankungen und vorzeitigem Tod kommt. Untersuchungen zeigen, dass mangelnde körperliche Leistungsfähigkeit der stärkste Prädiktor für kardiovaskuläre aber auch Gesamt-Morbidität und Mortalität ist.

Kardiologische Gesellschaften und Arbeitsmedizinerinnen empfehlen daher seit Jahren Bewegung in jeder Altersgruppe - angepasst auf das Fitnesslevel und etwaige Vorerkrankungen. Kein Sport ist keine Option!

Wohin kann ich derzeit gehen, um Sport zu machen? Was sollte ich beachten?

Die Rahmenbedingungen für die Sportausübung werden von den verschiedenen Verordnungen der Bundesregierung vorgegeben – das bedeutet, dass es im Moment im Nachwuchs- und Breitensport nur die Möglichkeit gibt, sich im Freien zu bewegen. Alternativ dazu gibt es die Möglichkeit zu Workouts in den eigenen vier Wänden – Chancen und Risiken haben wir bereits im Frühling 2020 im Expertinnenblog des Olympiazentrums dargestellt.

Machen die Vorarlbergerinnen derzeit mehr oder weniger Sport als sonst?

Bis Ende Jänner lief eine Erhebung der Universität Innsbruck – die Ergebnisse liegen jedoch noch nicht vor, werden aber auch einen Regionenvergleich Tirol –Südtirol – Oberbayern – Vorarlberg bringen. Bislang wissen wir nur, dass 670 Personen aus Vorarlberg teilgenommen haben. Die aktuellste uns bekannte Befragung stammt aus dem April bzw. Oktober 2020 von Sport Austria zum Thema "aktives Sportverhalten und passiver Sportkonsum".

Die Beantwortung der Fragen war eine Teamleistung der verschiedenen Fachbereiche des Olympiazentrum Vorarlberg.

Mitarbeitende: Dr. Antje Peuckert, Dr. Marc Sohm, Mag. FH Simon Nußbaumer, MSc und Mag. Sebastian Manhart, MBA

Bilderquelle : 
https://bjsm.bmj.com/content/early/2020/11/11/bjsports-2020-103282

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